Die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland soll Behördengänge vereinfachen, Dienstleistungen beschleunigen und Bürgern sowie Unternehmen den Zugang zu staatlichen Services erleichtern. Trotz verschiedener Initiativen – etwa dem Onlinezugangsgesetz (OZG), das bis Ende 2022 alle Verwaltungsleistungen online verfügbar machen sollte – liegt Deutschland hier im internationalen Vergleich zurück. Im Folgenden werden drei Schwerpunkte beleuchtet, die für eine moderne, flächendeckend digitale Verwaltung entscheidend sind: KI-gestützte Verwaltungsprozesse, die Digitalisierung aller Verwaltungsleistungen und das Bundesportal als zentraler Zugang. Dabei werden praktische Beispiele, Vorteile, Herausforderungen sowie Handlungsempfehlungen objektiv dargestellt.
KI-gestützte Verwaltungsprozesse
Künstliche Intelligenz (KI) hält zunehmend Einzug in die öffentliche Verwaltung und soll helfen, Prozesse effizienter zu gestalten. Chatbots und virtuelle Assistenten sind ein bekanntes Beispiel: Sie beantworten häufige Bürgeranfragen rund um die Uhr und entlasten so Service-Hotlines und Amtsmitarbeiter. Einige Kommunen setzen bereits Chatbots ein – der Landkreis Regensburg etwa nutzt einen KI-Chatbot für gängige Bürgerfragen, was die Mitarbeiter spürbar entlastet und die Zufriedenheit der Bürger erhöht. Solche Chatbots können z. B. bei der Kfz-Zulassung Auskunft geben oder durch Formularanträge führen . Auch bei der Terminvergabe im Bürgeramt oder als digitaler Assistent beim Ausfüllen von Anträgen kommen KI-Systeme zum Einsatz . Der Vorteil liegt auf der Hand: Bürger erhalten schneller Auskunft, und die Verwaltung kann Routineanfragen automatisiert abwickeln.
Automatisierte Antragsbearbeitung und Routineaufgaben sind ein weiteres Feld, in dem KI unterstützen kann. In Behörden fallen viele repetitive Tätigkeiten an, etwa Daten eingeben, Unterlagen auf Vollständigkeit prüfen oder Protokolle schreiben. Hier kann KI zur digitalen „Sachbearbeiterin“ werden und Formularfelder automatisch auslesen oder Dokumente vorsortieren. Laut dem Bundes-CIO Dr. Markus Richter hat sich gezeigt, dass automatisierte Verfahren bei solchen Routineaufgaben nicht nur Zeit sparen, sondern oft auch die Fehlerquote reduzieren.
Ein Beispiel ist das vom Land Baden-Württemberg 2023 erprobte KI-System „F13“, das Verwaltungsmitarbeitenden lästige Textarbeit abnimmt . F13 kann lange Texte zusammenfassen, bei Recherchen helfen und sogar Fragen zu hochgeladenen Dokumenten beantworten. Über eine Funktion namens „Vermerkomat“ lassen sich mehrere Dokumente auf Knopfdruck zusammenführen und nach vorgegebenen Schwerpunkten aufbereiten . Solche Assistenzsysteme beschleunigen die Bearbeitung von Anträgen deutlich und geben den Beschäftigten mehr Zeit für komplexe Fälle, die menschliches Urteilsvermögen erfordern.
KI im Dokumentenmanagement
Mit KI-basierter Texterkennung (OCR) können Papierdokumente oder eingescannte Formulare automatisch digitalisiert und inhaltlich erschlossen werden. Die KI filtert Informationen aus unstrukturierten Daten – etwa handschriftlichen Anträgen oder eingescannten PDF-Dateien –, klassifiziert diese und überführt sie in ein Format, das von Fachverfahren weiterverarbeitet werden kann . So entfällt die manuelle Dateneingabe. Auch das Erstellen von Sitzungsprotokollen oder Standardbescheiden kann eine solche KI-Lösung übernehmen. In der Praxis bedeutet dies: Briefe oder Antragsformulare, die per Post eingehen, werden sofort digital erfasst und den zuständigen Mitarbeitern elektronisch zur Verfügung gestellt. Das verkürzt Bearbeitungszeiten und verringert Medienbrüche erheblich.
Darüber hinaus eröffnen KI-gestützte Analysen und Entscheidungshilfen neue Möglichkeiten. Durch Machine-Learning-Modelle kann die Verwaltung große Datenbestände auswerten, um Trends zu erkennen und Entscheidungen besser abzustützen. So ermöglichen Prognosemodelle beispielsweise, Entwicklungen im Verkehrsaufkommen oder beim Bürgerservice vorherzusagen. Ein Bericht des Bundestags-Ausschusses für Technikfolgenabschätzung stellte 2022 fest, dass KI-Modelle proaktives staatliches Handeln stärken können – etwa in den Bereichen Sicherheit, Umweltschutz oder Verkehrsplanung.
Erste Plattformen dafür gibt es bereits: Seit 2023 nutzt die Bundesverwaltung die Analyseplattform PLAIN, um Daten auszuwerten und Prognosen zu erstellen . Auch manche Städte experimentieren mit KI im infrastrukturellen Bereich – beispielsweise setzen inzwischen zahlreiche Kommunen die KI-Anwendung „Vialytics“ ein, um Straßenschäden mittels automatischer Bilderkennung zu erfassen . Die Stadt Kaufbeuren wiederum wertet mit KI die Betriebsdaten ihrer Kläranlage aus, um Energieverbrauch und Ressourceneinsatz zu optimieren.
Vorteile
KI-Systeme können die Verwaltung spürbar entlasten, Leistungen beschleunigen und die Servicequalität steigern. Routineaufgaben werden automatisiert erledigt, was Personalengpässe abfedern kann – ein wichtiger Faktor, da bis 2030 sehr viele Verwaltungskräfte in Rente gehen. Bürger erhalten schneller Antworten, Formulare werden fehlerfrei verarbeitet, und die Verwaltung kann vorausschauender planen. Gleichzeitig entstehen neue digitale Angebote: Ein virtueller Assistent könnte Bürger künftig komplett durch komplexe Verfahren (wie Baugenehmigungen oder Förderanträge) lotsen und individuell beraten.
Herausforderungen
Trotz aller Potenziale darf man die Risiken und Hürden nicht übersehen. Der Einsatz von KI in der Verwaltung wirft datenschutzrechtliche und ethische Fragen auf. Systeme, die mit Bürgerdaten arbeiten, müssen höchsten Sicherheitsstandards genügen, um Missbrauch oder unbefugten Zugriff zu verhindern. Zudem ist Transparenz wichtig: Wenn Algorithmen über Anträge mitentscheiden, muss nachvollziehbar bleiben, wie ein Ergebnis zustande gekommen ist. Schließlich besteht die Gefahr von Bias (Voreingenommenheit) in KI-Systemen – fehlerhafte oder einseitige Trainingsdaten könnten zu ungerechten Entscheidungen führen. Daher ist klar, dass KI die menschliche Entscheidung nicht völlig ersetzen darf, sondern als Werkzeug dienen soll.
Viele Arbeitsprozesse müssen neu gedacht und Mitarbeitende entsprechend geschult werden, um KI-Lösungen sinnvoll zu integrieren. Nicht zuletzt sind rechtliche Rahmenbedingungen im Blick zu behalten: Die EU bereitet derzeit ein KI-Regulierungsgesetz vor, das ab 2025 strenge Vorgaben insbesondere für den öffentlichen Sektor machen wird. Für Verwaltungen heißt das, schon jetzt Kriterien wie Transparenz, Nichtdiskriminierung und Aufsicht in ihre KI-Projekte einzubauen. Insgesamt sind KI-gestützte Verwaltungsprozesse also kein Selbstläufer – doch mit der richtigen Balance aus Innovation und Kontrolle können sie ein wichtiger Baustein der Verwaltungsmodernisierung sein.
Flächendeckende Digitalisierung von Verwaltungsleistungen
Während einzelne digitale Leuchtturm-Projekte entstehen, ist das Ziel einer flächendeckenden Digitalisierung aller Verwaltungsleistungen nach wie vor eine große Herausforderung. Zahlreiche Behördengänge erfordern derzeit noch persönliche Vorsprachen, weil keine durchgängig digitalen Verfahren verfügbar sind. Ein typisches Beispiel ist die An- oder Ummeldung des Wohnsitzes beim Einwohnermeldeamt: In vielen Kommunen müssen Bürger hierfür immer noch persönlich im Bürgerbüro erscheinen, ihren Ausweis vorlegen und ein Formular unterschreiben. Online-Angebote existieren hier erst vereinzelt. Laut eGovernment MONITOR haben in den vergangenen drei Jahren zwar rund 83 % der Befragten ihre Steuererklärung online erledigt, aber nur 40 % eine Wohnsitzanmeldung oder -ummeldung digital durchgeführt. Dies verdeutlicht, dass solche alltäglichen Vorgänge bis heute oft mit einem Gang zum Amt verbunden sind.
Ein weiteres Beispiel ist die Kfz-Zulassung: Wer ein Auto an- oder ummelden will, musste traditionell zur Kfz-Zulassungsstelle – Kennzeichen siegeln lassen, Fahrzeugpapiere vorlegen, Gebühren bezahlen. Mittlerweile gibt es mit der Initiative i-Kfz (internetbasierte Fahrzeugzulassung) die Möglichkeit, viele Zulassungsvorgänge online abzuwickeln. So können Bürger in geeigneten Fällen ihr Auto bequem von zu Hause aus anmelden oder abmelden. Voraussetzung ist meist die Nutzung des neuen Personalausweises mit eID-Funktion und die Verfügbarkeit der erforderlichen Codes auf den Fahrzeugpapieren. Dennoch nutzen bisher relativ wenige Bürger diese Option, oft mangels Bekanntheit oder weil ältere Fahrzeuge und Sonderfälle nicht abgedeckt sind. In der Praxis bedeutet das weiterhin: In manchen Regionen kann man sein Auto schon digital zulassen, in anderen fährt man noch zur Behörde
Auch im Standesamtswesen und bei diversen Antragsleistungen besteht Nachholbedarf. So werden Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden häufig immer noch per schriftlichem Antrag oder persönlich beantragt, statt online im entsprechenden Standesamtsportal. Ähnlich verhält es sich bei der Baugenehmigung: Zwar haben einige Bundesländer digitale Bauantragsportale eingeführt, doch eine flächendeckende elektronische Bauantragstellung ist noch nicht Realität – vielfach müssen Bauherren weiterhin Papierpläne einreichen oder persönlich im Bauamt erscheinen, insbesondere wenn unterschriftspflichtige Nachweise erforderlich sind.
Personalausweis und Reisepass können aus Sicherheitsgründen (Fingerabdruck, Identitätsprüfung) nicht vollständig online beantragt werden, allerdings ließen sich Terminvereinbarung und Statusabfragen digitalisieren, was auch schon stellenweise umgesetzt ist. Generell gilt: Von Meldebescheinigungen über Gewerbeanmeldungen bis hin zu Sozialleistungen (wie Elterngeld oder Wohngeld) gibt es noch etliche Leistungen, bei denen Bürger Medienbrüche erleben – sei es durch Ausdrucke, postalische Zusendungen oder persönliche Unterschriften.
Woran liegt das? Technische Hürden und föderale Vielfalt spielen eine große Rolle. In Deutschland sind Bund, 16 Länder und über 11.000 Kommunen gemeinsam für Verwaltungsleistungen zuständig. Oft hat jede Verwaltung ihre eigene IT-Lösung oder Formularvariante. Das führte in der Vergangenheit zu einer zersplitterten Landschaft von Online-Portalen, die selten miteinander kompatibel waren. So entstanden Doppelentwicklungen, und nicht jeder Online-Service wurde überall ausgerollt. Eine bundesweit einheitliche Infrastruktur fehlte lange . Hinzu kamen rechtliche Hürden: Zahlreiche Gesetze verlangten bisher eine Schriftform (eigenhändige Unterschrift) oder sogar das persönliche Erscheinen, z. B. bei der Antragstellung für bestimmte Dokumente. Solche Vorgaben machen einen rein digitalen Prozess unmöglich, solange sie nicht geändert werden. Erst in den letzten Jahren wurden viele Schriftformerfordernisse gesetzlich abgeschafft oder durch die Möglichkeit ersetzt, elektronisch zu signieren. Allerdings besitzen nur wenige Bürger eine qualifizierte elektronische Signatur, sodass diese Option kaum genutzt wird.
Als Alternative versucht man deshalb, den neuen Personalausweis mit eID-Funktion als Identitätsnachweis einzusetzen – dieser kann in vielen Fällen die persönliche Ausweiskontrolle ersetzen, wenn Behörden ihn in ihre Online-Formulare einbinden. Doch auch das setzt voraus, dass Bürger die eID aktiviert haben und ein Lesegerät oder die AusweisApp nutzen, was bislang eher die Ausnahme ist.
Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes hat gezeigt, wie anspruchsvoll die flächendeckende Digitalisierung ist. Bis Ende 2022 sollten Bund und Länder gemäß OZG alle digitalisierbaren Verwaltungsleistungen online anbieten. Tatsächlich wurde dieses Ziel deutlich verfehlt: Nach Prüfung des Bundesrechnungshofs waren Ende 2022 erst 19 % der möglichen Leistungen online verfügbar, davon sogar nur 4 % wirklich OZG-konform flächendeckend. Erschwerend kommt hinzu, dass in der Statistik eine Leistung schon als „online verfügbar“ zählte, wenn in lediglich einer Kommune ein Online-Dienst existierte. Das heißt, viele digitale Angebote waren lokal begrenzt und standen Bürgern andernorts nicht zur Verfügung – von echter Flächendeckung also weit entfernt. Gründe dafür waren neben den erwähnten technischen und rechtlichen Hürden auch Koordinationsprobleme: Bund und Länder brauchten fast die Hälfte der Zeit, um überhaupt festzulegen, welche Leistungen wie digitalisiert werden sollen. Zudem fehlten anfangs zentrale IT-Lösungen, sodass jedes Land eigene Insellösungen entwickelte. Dieses föderale Nebeneinander erschwerte die flächendeckende Bereitstellung erheblich.
Um Verwaltungsprozesse, die heute noch den Behördengang erfordern, zu digitalisieren, braucht es einen ganzheitlichen Ansatz. Technisch müssen Standards und Schnittstellen geschaffen werden, damit lokale Fachverfahren mit zentralen Online-Portalen kommunizieren können. Das Konzept „Einer für Alle“ (EfA) zielt in diese Richtung: Ein Bundesland entwickelt einen Online-Dienst, der von allen anderen mitgenutzt werden kann, anstatt dass jede Behörde selbst programmiert. So gibt es z. B. für die BAföG-Anträge inzwischen ein zentrales Online-Portal, das länderübergreifend eingesetzt wird. Solche Nachnutzungsmodelle sparen Kosten und sorgen dafür, dass Bürger unabhängig vom Wohnort den gleichen digitalen Service erhalten. Rechtlich müssen verbleibende Hindernisse abgebaut werden – etwa indem Gesetze klar definieren, dass die Online-Beantragung der Papierform gleichgestellt ist, und indem wo möglich auf die Pflicht zum persönlichen Erscheinen verzichtet wird. Organisatorisch sollten Verwaltungen ihre Abläufe überprüfen: Ein digitaler Prozess ist nur dann effektiv, wenn nicht intern doch wieder Medienbrüche entstehen (z. B. wenn ein Online-Antrag ausgedruckt und manuell weiterbearbeitet wird). Hier sind Schulungen und Change-Management gefragt, um das Mindset von “Papier ist sicherer” zu überwinden. Und nicht zuletzt muss die IT-Ausstattung flächendeckend verbessert werden – von der Breitbandanbindung ländlicher Rathausstandorte bis zur Einführung sicherer Dokumentenmanagement- und Bezahlsysteme. Insgesamt erfordert die flächendeckende Digitalisierung eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen, damit alle Bürger – egal wo sie wohnen – von den digitalen Angeboten profitieren können.
Das Bundesportal als Ausgangspunkt für eine einheitliche digitale Verwaltung
Eine zentrale Rolle für die Vereinheitlichung spielt das Bundesportal (verwaltung.bund.de). Es wurde als zentrale Plattform geschaffen, um Bürgern und Unternehmen einen Online-Zugang zu allen Verwaltungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen zu bieten. Die Vision dahinter: Statt mühsam nach dem zuständigen Amt und Formular zu suchen, sollen Nutzer auf dem Bundesportal mit ein paar Klicks ihr Anliegen online erledigen können. Behörden sämtlicher Ebenen „docken“ mit ihren Services an dieses Portal an.
Praktisch bedeutet das, im Bundesportal sind Dienstleistungen katalogisiert (von A wie Anmeldung des Wohnsitzes bis Z wie Zulassung eines KFZ) und mit Informationen sowie Online-Formularen hinterlegt. Viele dieser Formulare wurden im Zuge des OZG in einer Art „Fertigungsstraße“ standardisiert und digitalisiert, sodass sie einheitlich zur Verfügung stehen. Dabei wurden bereits Funktionen integriert, die für einen durchgängigen Online-Prozess nötig sind – beispielsweise Fernsignatur (für digitale Unterschriften), Siegelfunktion (für amtliche Beglaubigungen) und Bezahlsysteme, damit Gebühren direkt online entrichtet werden können. All dies soll es ermöglichen, Anträge komplett elektronisch abzuwickeln: Der Bürger füllt online aus und unterschreibt digital von zu Hause, die Behörde bearbeitet den Vorgang in ihrem System und stellt den Bescheid wiederum elektronisch in das Postfach des Nutzers. Sogar Leistungen wie Fahrzeuganmeldung oder Wohnsitzummeldung – klassisch für ihren Behördengang bekannt – sollen so medienbruchfrei möglich sein .
Bisherige Fortschritte
Das Bundesportal ist seit 2020 online und stellt bereits jetzt den zentralen Anlaufpunkt im E-Government dar. Über 6.000 Verwaltungsleistungen sind dort verzeichnet. Die Seite bietet eine einheitliche Suche und verweist auf die zuständigen Stellen oder direkten Online-Dienste. In einigen Fällen kann der Antrag direkt im Portal ausgefüllt und versendet werden . Zudem wurde das Nutzerkonto Bund (BundID) eingeführt, mit dem Bürger sich einmalig registrieren und dann für verschiedene Online-Verwaltungsdienste authentifizieren können. Dieses Konto lässt sich mit der eID des Personalausweises verknüpfen, um sicher die Identität nachzuweisen. Perspektivisch soll daraus eine noch umfassendere Deutschland-ID werden, die als digitaler Generalschlüssel für alle Behörden fungiert.
Positive Effekte des Bundesportals zeigen sich dort, wo es konsequent genutzt wird: Bürger sparen Zeit und Wege, Unternehmen können Genehmigungen schneller einholen, und Verwaltungen profitieren von einheitlichen Lösungen statt individueller Insellösungen. Insbesondere kleinere Kommunen, die keine eigene IT-Entwicklung stemmen können, haben durch das Bundesportal die Chance, ihren Bürgern Online-Dienste bereitzustellen, indem sie auf die zentral entwickelten Module zurückgreifen. Insgesamt wurden durch das OZG und das Bundesportal-Projekt viele Standardprozesse identifiziert und digital modelliert – ein Fundament, auf dem weiter aufgebaut werden kann.
Bestehende Lücken
Trotz dieser Fortschritte ist das Bundesportal noch kein Allheilmittel. Ein zentrales Problem ist die geringe Bekanntheit und Nutzung in der Bevölkerung. Einer Umfrage zufolge kennen lediglich rund 30 % der Deutschen das Bundesportal, und tatsächlich genutzt haben es bisher nur ca. 6 %. In Nachbarländern mit vergleichbaren Portalen (z. B. Österreich) liegen diese Werte deutlich höher. Viele Bürger suchen weiterhin über Google oder gehen direkt auf die Website ihrer Stadt, wenn sie etwas erledigen wollen. Das spricht dafür, dass das Bundesportal bisher noch nicht genügend sichtbar oder benutzerfreundlich ist. Ein weiteres Defizit ist die Übergangsphase der föderalen Portale: Jedes Bundesland hat eigene Verwaltungsportale, die parallel existieren.
Das Bundesportal ist nicht übergeordnet, sondern eher ein „Portal der Portale“, was für Nutzer verwirrend sein kann. Wer etwa über das Bundesportal einen Service sucht, wird mitunter auf das Landesportal oder die Webseite der Kommune weitergeleitet, wo dann wieder eine separate Registrierung nötig sein kann. Dieses Nebeneinander schmälert den Nutzen einer einheitlichen Lösung. Zudem sind noch nicht alle Leistungen tatsächlich online verfügbar oder bis zum Ende durchdigitalisiert, wie zuvor beschrieben. Manche Einträge im Bundesportal bieten dann nur ein PDF zum Download oder den Hinweis „zuständig: Amt XY“, ohne unmittelbare Online-Transaktionsmöglichkeit. Hier zeigt sich, dass das Portal nur so gut sein kann, wie die angebundenen Dienste.
Um eine einheitliche, digitale Verwaltung in allen Bundesländern zu gewährleisten, sind weitere Maßnahmen nötig. Zunächst einmal muss die Standardisierung vorangetrieben werden. Das neue OZG-Änderungsgesetz (auch OZG 2.0) schreibt verbindliche Standards für Daten und Schnittstellen fest. Diese Standards gilt es nun zügig umzusetzen, damit ein Antrag in Bayern genauso digital läuft wie in Schleswig-Holstein. Das Bundesportal sollte zur echten Drehscheibe ausgebaut werden, auf der alle Behördenleistungen nicht nur gefunden, sondern auch direkt beantragt und abgeschlossen werden können. Dazu gehört auch, die Integration der Landesportale zu verbessern – ideal wäre ein Single-Sign-On für Bürger, sodass die einmalige Anmeldung mit der Deutschland-ID reicht und im Hintergrund die Zuständigkeiten geregelt werden.
Des Weiteren muss die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern verstärkt werden. Der Nationale Normenkontrollrat kritisiert, dass bisher jeder viel zu sehr auf seine eigene Zuständigkeit achtet und dadurch Kräfte gebunden werden . Statt Konkurrenz der IT-Lösungen braucht es einen gemeinsamen Fahrplan und möglicherweise zentral bereitgestellte Basisdienste (z. B. ein zentrales Zahlungsverfahren, ein zentrales Postfachsystem), die alle nutzen. Hier sind Bund und Länder gleichermaßen in der Pflicht, im IT-Planungsrat und anderen Gremien an einem Strang zu ziehen.
Auch gesetzliche Anpassungen könnten erforderlich sein, um wirklich überall digitale Verwaltung zu ermöglichen. Einige Experten bringen sogar Änderungen des Grundgesetzes ins Gespräch , falls dies nötig sei, um Zuständigkeiten neu zu ordnen und der Digitalisierung Schub zu geben. Beispielsweise könnte man dem Bund mehr Befugnisse bei der IT-Steuerung einräumen, damit nicht jedes Land separat entscheiden kann, ob und wie es an bundesweiten Portalen mitwirkt. Ob ein so großer Schritt politisch durchsetzbar ist, bleibt offen – klar ist jedoch, dass ohne verbindliche Vereinbarungen zwischen allen Beteiligten die angestrebte Einheitlichkeit schwer zu erreichen ist.
Letztlich darf man den Bürgernutzen nicht aus den Augen verlieren: Die beste Plattform nützt wenig, wenn Bürger sie nicht annehmen. Daher sollten Benutzerfreundlichkeit, Barrierefreiheit und Mehrsprachigkeit des Bundesportals kontinuierlich verbessert werden. Ebenso wichtig ist eine aktive Kommunikation – Bürger müssen wissen, dass es diesen zentralen Zugang gibt und was man dort alles erledigen kann. Informationskampagnen, verständliche Anleitungen und vielleicht auch lokale Hilfsangebote (z. B. in Bürgerämtern oder Bibliotheken) können helfen, die Hemmschwelle zur Online-Nutzung abzubauen. Wenn die Menschen positive Erfahrungen machen und Vertrauen fassen – etwa weil ein Antrag online schneller ging als erwartet – wird sich das Konzept einer digitalen Verwaltung von selbst herumsprechen.
Schritte zur flächendeckenden digitalen Verwaltung
Deutschland steht auf dem Weg zur digitalen Verwaltung vor großen, aber machbaren Aufgaben. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, wohin die Reise gehen muss. Nachfolgend eine Checkliste mit zentralen Handlungsempfehlungen, um die Verwaltungs-Digitalisierung praxisnah voranzutreiben:
- Rechtlichen Rahmen modernisieren: Schriftformerfordernisse weiter abbauen und ein Recht auf digitale Verwaltung konsequent umsetzen (dies wurde im OZG 2.0 verankert und tritt in einigen Jahren in Kraft ). Gesetze sollten klar definieren, dass digitale Verfahren den traditionellen gleichgestellt sind.
- Einheitliche digitale Identität nutzen: Die Einführung der Deutschland-ID vorantreiben, damit Bürger sich einmalig registrieren und dann überall online ausweisen können . Gleichzeitig Behördenpostfächer etablieren, um Bescheide elektronisch zustellen zu können.
- Prozesse vollständig digital denken: Verwaltungsabläufe so gestalten, dass kein Medienbruch mehr nötig ist. Von Antragstellung über Nachweiserbringung bis zur Bezahlung alles online ermöglichen. Falls ein Schritt (z. B. persönliches Erscheinen) unvermeidbar ist, diesen transparent begründen und so bürgerfreundlich wie möglich gestalten (z. B. Terminvereinbarung online).
- Zentrale Plattform stärken: Das Bundesportal technisch und inhaltlich ausbauen, damit es als echter One-Stop-Shop funktioniert. Alle Bundesländer und Kommunen sollten ihre Dienstleistungen dort einbinden – nach dem Motto “digital first”. Gleichzeitig die Nutzerfreundlichkeit verbessern (klare Sprache, mobile Tauglichkeit, Hilfefunktionen) und die Bekanntheit steigern.
- Standards und Zusammenarbeit fördern: Verbindliche IT-Standards (z. B. Datenformate, Schnittstellen) zwischen allen Verwaltungen umsetzen, um Insellösungen zu vermeiden. Projekte im Sinne von “Einer für Alle” stärker nutzen: Wenn ein digitales Angebot in einem Bundesland erfolgreich ist, sollte es unkompliziert von anderen übernommen werden können. Regelmäßiger Austausch zwischen den IT-Verantwortlichen der Länder und des Bundes stellt sicher, dass alle vom gegenseitigen Lernen profitieren.
- KI und Automatisierung verantwortungsvoll einsetzen: Wo sinnvoll, KI-Lösungen einbinden, um Routinearbeiten zu übernehmen (z. B. Dokumentenanalyse, Chatbot-Auskunft). Dabei stets Datenschutz, Transparenz und Qualitätskontrolle gewährleisten . Pilotprojekte auswerten und bei Erfolg breiter ausrollen, um keine Zeit zu verlieren.
- Personal schulen und mitnehmen: Die digitale Transformation gelingt nur mit den Mitarbeitern. Fortbildungen in digitalen Kompetenzen, Schulungen im Umgang mit neuen Systemen und eine offene Kommunikationskultur sind essenziell. Beschäftigte sollten die Vorteile der Digitalisierung selbst erfahren (etwa Entlastung von Routineaufgaben) und eventuelle Ängste vor Veränderung verlieren.
- Infrastruktur und Sicherheit gewährleisten: Flächendeckend benötigen Verwaltungen eine moderne IT-Grundlage – von schnellen Internetleitungen bis zu sicheren Cloud-Lösungen. Bund und Länder müssen hierfür Investitionsmittel bereitstellen (die vorhandenen Mittel wurden bislang nicht vollständig genutzt ). Zugleich ist IT-Sicherheit zentral: Bürger vertrauen nur dann digitalen Angeboten, wenn ihre Daten geschützt sind. Regelmäßige Sicherheitsupdates, Penetrationstests und transparente Datenschutzmaßnahmen sind Pflicht.
- Bürgerorientierung in den Vordergrund stellen: Alle Digitalisierungsmaßnahmen sollten sich am Nutzen für die Bürger messen lassen. Feedbackmöglichkeiten (z. B. Zufriedenheitsumfragen nach Nutzung eines Online-Dienstes) helfen, Schwachstellen zu finden und zu beheben. Spezielle Unterstützung für weniger technikaffine Personen – etwa Lotsen in Bürgerbüros, die bei Online-Anträgen assistieren – stellt sicher, dass niemand abgehängt wird.
- Kontinuierliche Erfolgskontrolle: Die Verwaltung sollte klare Ziele (KPIs) für die Digitalisierung definieren, z. B. Nutzungsquoten, Zeitersparnis pro Vorgang oder Zufriedenheit. Eine regelmäßige Evaluation (ggf. durch unabhängige Stellen) und ein öffentliches Monitoring schaffen Transparenz über Fortschritte und zeigen, wo nachgesteuert werden muss.
Mit diesen Maßnahmen kann die Verwaltungs-Digitalisierung in Deutschland praxisnah und bürgerorientiert gelingen. Die Technologien – von Online-Portalen bis KI – stehen bereit; nun kommt es darauf an, sie flächendeckend und klug einzusetzen. Ziel ist eine Verwaltung, die effizienter, schneller und servicefreundlicher ist, ohne dabei Rechtssicherheit und Datenschutz zu vernachlässigen. Auf diesem Weg wurden bereits wichtige Schritte unternommen, doch konsequentes Dranbleiben und bundesweite Kooperation sind entscheidend, damit das digitale Rathaus für alle Bürger zur Realität wird.